Angsterkrankungen
Angst haben wir alle. Der Unterschied liegt
in der Frage: Wovor.
Frank Thiess (1890-1977), deutscher Essayist
Allgemeines
Angst ist eine gefühlsmäßige
Reaktion auf eine Gefahr. Bei Furcht ist das gefahrauslösende Moment genauer
bekannt. Angst und Furcht werden meist nicht scharf voneinander abgegrenzt.
Beide sind zunächst normale Phänomene. Pathologisch werden sie erst, wenn
sie ohne hinreichend verständliche äußere Umstande auftreten. Übermäßige
Angst ist nur schwer zu definieren. Dies erschwert insbesondere die
Einschätzung einer Behandlungsbedürftigkeit. Phobien sind durch eine
objekt-gebundene Angst charakterisiert, die mit Abwesenheit des Objektes
nicht auftritt und oft zu einer Reihe einschränkender Vermeidungsmaßnahmen
führt. Eine Panikstörung ist gekennzeichnet durch anfallsartig
auftretende Angst, die nicht an eine spezifische Situation ohne objektive
Gefährdung gebunden und nicht vorhersagbar ist. Bei der generalisierten
Angststörung ist die Angstsymptomatik anhaltend und beschränkt sich
weder auf bestimmte Situationen noch ist sie anfallsartig begrenzt.
Begriffsbestimmung
Der von Sigmund Freud geprägte Begriff der Angstneurose schloss vor allem
die Panikstörung und die generalisierte Angststörung ein. Die Unterteilung
in Panikstörung und generalisierte Angststörung geht auf Donald F. Klein
zurück, der ein unterschiedliches Ansprechen der beiden Symptome auf
Psychopharmaka postulierte: auf das trizyklische Antidepressivum Imipramin
bei Panikstörung und auf Benzodiazepine bei generalisierter Angststörung.
Heute wird der Begriff Angsterkrankung als Sammelbegriff für die
Panikstörung sowie die generalisierte Angststörung benutzt.
Formen, Verlauf, Epidemiologie
Die Häufigkeit behandlungsbedürftiger Angsterkrankungen ist unabhängig von
sozialen Faktoren wie Beruf, Wohnort oder Bildungsgrad. Die Inzidenz nimmt
ab dem 45. Lebensjahr deutlich ab. Die Angaben zur Häufigkeit differieren in
Abhängigkeit zur Krankheitsdefinition, zu den eingeschlossenen Schweregraden
und der untersuchten Population teilweise deutlich:
Agoraphobien beginnen in der Regel
später als andere Phobien, etwa im dritten Dezennium. Sie verlaufen häufig
chronisch. Alkohol- und Medikamentenabusus sowie komorbide Depressionen
komplizieren den Krankheitsverlauf. Frauen sind zwei bis drei Mal häufiger
betroffen als Männer.
Soziale Phobien manifestieren sich
meist zwischen dem 15. bis 20. Lebensjahr. Ein chronischer Verlauf sowie
Komorbidität mit Alkohol- und Medikamentenabusus sind häufig. Männer und
Frauen sind etwa gleich häufig betroffen.
Spezifische (isolierte) Phobien
beginnen früher als soziale Phobien, oft bereits in der Kindheit. Insgesamt
sind sie weniger einschränkend mit teilweise spontanen Remissionen. Frauen
sind deutlich häufiger betroffen, bei Tierphobien bis zu 10-mal häufiger als
Männer.
Generalisierte Angststörungen
treten erstmals vor allem im dritten Lebensjahrzehnt auf. Sie sind
gekennzeichnet durch eine hohe Chronifizierungstendenz und weisen eine hohe
Komorbidität mit Depressionen auf. Frauen sind deutlich häufiger betroffen.
Panikstörungen setzen im frühen
Erwachsenenalter ein. Meist verläuft die Erkrankung chronisch,
Spontanremissionen sind selten, wenn die Symptomatik länger als 1 Jahr
besteht. Auffällig ist eine hohe Komorbidität mit Depressionen,
Persönlichkeitsstörungen sowie Alkohol- und Medikamentenabusus. Frauen sind
etwa doppelt so häufig betroffen wie Männer.
Klinik
Die Panikattacken als wichtigstes Charakteristikum sind gekennzeichnet durch
eine unerwartete plötzliche schwere Angst, etwas Katastrophales werde über
den Betroffenen hereinbrechen, beispielsweise Herzinfarkt, Schlaganfall oder
Ersticken. Typische Symptome sind Herzschmerzen, Atembeschwerden, heiße und
kalte Schauer, Schwindel, Tremor und Abdominalbeschwerden. Dieser Zustand
des subjektiven Kontrollverlustes kann bis zu einer Stunde dauern. Viele
Patienten entwickeln daraus antizipatorische Ängste – die „Angst vor der
Angst“. Diese begünstigt neue Panikattacken und verstärkt die deutliche
Beeinträchtigung der subjektiven Lebensqualität, die Schwierigkeiten, den
Beruf auszuüben sowie zunehmende soziale Kontaktstörungen. Im Rahmen des
Vermeidungsverhaltens vermuteter Objekte und Orte als Triggerfaktoren der
Attacken entwickeln sehr viele Panikpatienten eine Agoraphobie.
Panikpatienten sind zu über 25 Prozent
arbeitslos oder fehlen überdurchschnittlich oft am Arbeitsplatz, leben
häufiger allein und sind überdurchschnittlich oft geschieden, zeigen
auffallend geringere soziale Aktivitäten, verursachen deutlich höhere
Krankheitskosten durch Inanspruchnahme medizinischer Dienstleistungen.
Auffallend ist eine deutlich erhöhte
Mortalität infolge Suizid. Panikpatienten haben ein auffallend erhöhtes
kardiovaskuläres Risiko:
-
dreifach erhöhte Wahrscheinlichkeit eines
tödlichen Myokardinfarktes wegen einer erhöhten Thrombozyten-Reagibilität
und eine
-
erhöhte Wahrscheinlichkeit eines
plötzliches Herztodes wegen einer herabgesetzten Herzfrequenz-Variabilität.
Schlüsselfragen zur Panikattacke sind:
Kam Ihre erste Panikattacke unerwartet – aus heiterem Himmel? Hatten Sie
mehr als einmal einen solchen Angstanfall? Waren Sie deshalb in Ihren
alltäglichen Aktivitäten eingeschränkt? Folgende Schlüsselfragen zu
Komplikationen werden gestellt: Hatten Sie nach einem dieser Angstanfälle
über längere Zeit ständig Angst vor einem neuen Anfall? Malen Sie sich aus,
was dann passieren könnte? Haben diese Angstanfälle oder die Vermeidung
wesentlich in Ihr normales Leben eingegriffen?
Therapie der Panikstörung
Für die Therapie ist die Information über das Wesen der Erkrankung wichtig.
Der Patient muss davon überzeugt werden, dass er nicht an einer somatischen
Erkrankung leidet. Damit sollen nutzlose Zusatzuntersuchungen vermieden und
das Vertrauensverhältnis zum behandelnden (Fach-)Arzt und die Compliance
gestärkt werden. Eine stützende Psychotherapie mit kognitiven bzw.
verhaltenstherapeutischen Elementen hilft dem Patienten bewusst zu machen,
welche Denkabläufe seine Ängste verursachen und aufrechterhalten. Darüber
hinaus soll vor allem bei phobischen Störungen eine Verhaltensmodifikation
erreicht werden. Bei der Expositionstherapie bei Komorbidität mit
Agoraphobie soll der Patient durch das gezielten Aufsuchen gemiedener
Objekte und Orte zuerst unter Anleitung, später allein Mechanismen zur
Reaktionsverhinderung und Verhaltensmodifikation entwickeln.
Entspannungsverfahren wie Autogenes Training, Bio-Feedback oder Progressive
Muskelrelaxation werden in der Praxis oft eingesetzt. Unter evidenzbasierten
Gesichtspunkten fehlt jedoch ein Wirksamkeitsnachweis bei Panikpatienten.
Medikamentöse Therapie
Antidepressiva
Unter den Antidepressiva sind sind selektive
Serotonin-Wiederaufnahme-Inhibitoren (SSRI), trizyklische Antidepressiva (TZA)
und Monoamino-Oxidase-Hemmer (MAO-I) am besten untersucht. Antidepressiva
sind für die Langzeit-Therapie nicht zuletzt aufgrund des fehlenden
Suchtpotenzials die bevorzugten Wirkstoffe. Ihre Wirkung setzt erst nach
zwei bis vier Wochen ein, weshalb eine initiale Kombinationsbehandlung mit
Benzodiazepinen sinnvoll sein kann.
SSRI werden wegen ihrer ausgezeichneten
Wirksamkeit und der im Vergleich zu den TZA besseren Verträglichkeit
mittlerweile als Therapie der ersten Wahl angesehen. Für Citalopram, dem
selektivsten SSRI, konnte in einer plazebokontrollierten Studie nachgewiesen
werden, dass unter einer Dosierung von bis zu 60 mg/d nach acht Wochen die
Anzahl der Panikattacken statistisch signifikant von 70 Prozent auf 18
Prozent zurückging. Im direkten Vergleich mit Clomipramin wurden nach
achtwöchiger Therapie unter 20 bis 30 mg/d Citalopram eine höhere
Therapieresponse erreicht als unter 60 bis 90 mg Clomipramin.
Benzodiazepine
Am besten untersucht sind Alprazolam, Lorazepam, Diazepam und Axazepam. Ihre
Wirkung wird auf eine Beeinflussung der antizipatorischen Angst sowie in
höherer Dosis der Panikattacken selbst zurückgeführt. Benzodiazepine sollten
einschleichend auftitriert und ebenso stufenweise abgesetzt werden.
Vorteilhaft ist der schnelle Wirkeintritt. Aufgrund des Risikos der
physischen Abhängigkeit sowie der Unsicherheit und Unbedenklichkeit einer
hochdosierten Langzeittherapie sollten Benzodiazepine nur kurzzeitig und bei
Patienten mit schwererem Krankheitsverlauf eingesetzt werden.
DGPPN, Satellitensymposium „Escitalopram
– das Enantiomer zur Verbesserung der Therapie von Depression und
Panikerkrankungen“, Berlin, November 2002
[i] Klein, Donald F.:
Delineation of two drug-responsive anxiety syndromes.
1964 Psychopharmacologia 5, 397-408
[ii] Börner RJ, Möller HJ: Pharmakotherapie der Panikstörung und/oder
Agoraphobie – Leitlinien und klinische
Anwendungsstrategien. 1996 Psychopharmakotherapie 3:4, 168-177
[iii] Bandelow: Vortrag auf dem Lundbeck-Symposium anlässlich des
DGPPN-Kongresses 2001 in Berlin
Angst ist nicht gleich Angst. Daher unterscheidet man
aus medizinischer Sicht drei große Gruppen von
Angststörungen. Um zu verdeutlichen, dass es sich um krank
machende Aspekte der Angst handelt, wird jeweils das Wort
„Störung” angefügt.
Häufig gestellte Fragen zur
und
was damit zusammenhängt:
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Angststörung (generalisierte Angst, frei flottierende Angst) |
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F |
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Was versteht man unter einer generalisierten Angststörung? |
A |
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Von einer generalisierten Angststörung
spricht man, wenn die Symptome der Angst an den meisten
Tagen, mindestens mehrere Wochen lang auftreten. Zu den
wichtigen Symptomen, anhand derer Ihr Arzt die Diagnose
stellt, gehören:
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Befürchtungen (angespanntes Gefühl,
Nervosität, Konzentrationsschwierigkeiten)
-
motorische Spannung (z.B. Zittern,
Muskelverspannungen, Ruhelosigkeit)
-
vegetative Übererregbarkeit (z.B.
Schwitzen, Schwindel).
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Häufig gestellte Fragen zur
und
was damit zusammenhängt:
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Panikstörung (oder Panik-Attacken) mit oder ohne Platzangst
(Agoraphobie) |
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Häufig gestellte Fragen zur
und
was damit zusammenhängt:
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Phobische Störung (sach- und situationsbezogen) |
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demnächst
ergänzt
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